Algen – Aus dem Meer in die Röhre
Algen kannte man bislang hauptsächlich von der Speisekarte japanischer Sushi-Restaurants, oder weil sie den sommerlichen Badespaß am See trüben können. In den letzten Jahren allerdings hat sich die Aufmerksamkeit für diese kleinen Lebewesen verändert. Vor allem die Entdeckung, dass Algen sehr viele gesunde Inhaltsstoffe bieten, macht sie zunehmend interessanter.
Die Alge – das noch weitgehend unerforschte Wesen
Interessant ist für uns Menschen zunächst einmal die Tatsache, dass Algen ein wesentlicher Faktor für die weltweite Produktion von Sauerstoff sind. Sie liefern mehr von dem für uns überlebenswichtigen Element, als alle Landpflanzen zusammen. Sauerstoff entsteht indem die Alge mit Hilfe von Photosynthese CO2 wandelt. Ein weiterer Pluspunkt, in Zeiten in denen in Industrieländern Massen des Gases produziert werden und man noch nicht weiß wohin damit. Aber das ist noch nicht alles was uns die Alge bietet. Es lohnt ein detaillierterer Blick auf die zumeist fast unsichtbaren Wesen.
Algen gehören zu den ältesten Lebewesen auf unserer Erde. Es gibt sie seit mehr als einer Milliarde Jahren. Man schätzt, es gibt zirka 500.000 Arten, aber erforscht sind bisher noch nicht einmal 1000. Die ein- oder mehrzelligen Gebilde sind biologisch bislang schwer einzuordnen. Es gibt verschiedene Ansichten über Systematik und Klassen, da „Alge“ eher ein Sammelbegriff für verschiedene Lebensformen ist. Auch ein paar Bakterienarten gehören dazu. Fast alle Algen sind winzig klein. Umgangssprachlich spricht man dann von Mikroalgen. Einige Algen können sich aber auch zu größeren Verbünden zusammenschließen, den Makroalgen, wie der sogenannte Meersalat, die Alge des Jahres 2015.
Algen findet man zwar vorwiegend in Gewässern, Aquarienbesitzer können davon ein Lied singen, aber manche Arten haben sich auch auf dem Land entwickelt. Die Grünalge zum Beispiel findet man auf allen möglichen Flächen im Garten, auf Dächern, Steinen oder, zur Beunruhigung vieler Hobbygärtner, auch auf Baumstämmen. Die färben sich im Sommer rot, was aber völlig unbedenklich ist.
Algen auf dem Speiseplan
Algen stehen fest auf dem Speiseplan vieler Fischarten und anderer Meeresbewohner. Sie sind ein Teil des Planktons, der in den lichtreichen Zonen der Weltmeere zu finden ist, oft nahe der Oberfläche. Ohne sie wären die Meere nicht so reich bewohnt. Und es gäbe zum Beispiel keine Bartenwale, wie den Blauwal, der sich davon ernährt.
Neben den Makroalgen, die man traditionell in der asiatischen Küche findet, wo Salat und Gemüse aus ihnen hergestellt wird, gewinnen die Mikroalgen immer mehr an Bedeutung für unsere Ernährung. Das liegt an ihren gesunden Inhaltsstoffen wie Vitaminen, Mineralien, Fetten, Proteinen und vielen Spurenelementen. Speziell die Arten Chlorella und Spirulina finden dabei Verwendung. Sie werden aus dem Wasser gefiltert, getrocknet und verarbeitet. In den letzten Jahren ist so eine breite Palette von Nahrungsergänzungsmitteln aus Algen entstanden. Mikroalgen sollen nicht nur gesund sein, sondern werden auch als Schlankmacher, Jodspender und Blutdrucksenker eingesetzt. Schon heute kommen wir teilweise unbewusst in unserer Fertignahrung mit Algenprodukten in Berührung. Die getrocknete Masse findet sich in Gelier- und Verdickungsmittel wie Agar-Agar oder Alginat. Die werden zur Herstellung von allerlei Süßspeisen verwendet.
In der chinesischen Heilkunde wird die Alge schon seit einigen tausend Jahren verwendet. Und wenn auch noch einige wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse fehlen, bzw. die üblichen Rufer warnen, wie sie vor allem Neuen warnen, so kann man doch davon ausgehen, dass die Alge letztlich eine Bereicherung für unsere Ernährung ist. Und sie wird sicher eine Rolle spielen, wenn es darum geht, die stetig wachsende Weltbevölkerung in Zukunft ausreichend zu ernähren. Von den tausend erforschten Arten werden bislang nur wenige überhaupt industriell genutzt. Da schlummert also noch ein riesiges Potential, das es zu erforschen gilt, und man weiß noch nicht, was da alles drinsteckt.
Algen im Tank
Neben der Lebensmittelindustrie interessieren sich heute auch andere Branchen für Mikroalgen. Allen voran die Energiewirtschaft, die Biokraftstoff und Biogas daraus herstellen möchte. Die bange Frage wie lange die Ölvorräte noch ausreichen, befeuert Anstrengungen im Bereich der erneuerbaren Energie. Da bietet Algenkraftstoff eine echte Alternative. Technisch ist das Verfahren umsetzbar, aber ökonomisch betrachtet heute noch nicht sinnvoll.
Auch die Tatsache, dass Algen CO2 wandeln stößt zunehmend auf Interesse. In dieser Richtung gibt es ganz konkrete Projekte im Bereich von Kohlekraftwerken. Aber man kann sich vorstellen, bei der immensen Menge an CO2 die da produziert wird, müsste man ganz Deutschland mit Algenanlagen zupflastern, um nur den Ausstoß eines Kraftwerks loszuwerden. In diesen Größenordnungen ist der Prozess der Photosynthese noch zu langsam. Dennoch wird mit Nachdruck geforscht und optimiert.
Neues Berufsbild – Algenfarmer
Um die ständig wachsende Nachfrage zu befriedigen, werden Algen zunehmend „angebaut“. In Asien findet man einige Anlagen, in denen Algen in großen Becken kultiviert werden. Sie brauchen vor allem Sonnenlicht und Dünger. Die Becken sind flach und werden ständig umgewälzt, damit alle Algen Photosynthese betreiben und wachsen können. Allerdings besteht bei diesen Außenanlagen ständig die Gefahr der Kontaminierung. Um eine Verunreinigung auszuschließen werden inzwischen geschlossene Systeme entwickelt. Meist bestehen sie aus Glasröhrensystemen durch die ein gleichmäßiger Wasserfluss geleitet wird. So können die Algen ständig genügend Licht aufnehmen. Allerdings müssen die Standorte sonnengünstig liegen. Auch künstliche Beleuchtung kann eine Rolle spielen, muss sich aber in der Energiebilanz rechnen.
Die Berliner Firma MINT hat eine vertikal hängende Anlage entwickelt, die an Hausfassaden angebracht wird. Damit geht sie den Schritt zum Urban Farming (Interview mit Gunnar Mühlstädt). In der Zukunft kann jedermann zum Algenfarmer werden. Wenn die Nachfrage weiter steigt, ist das bald keine Utopie mehr.
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